Heute Morgen bin ich aufgewacht und mich ereilte die Lust auf ein Marmeladenbrot. Im Kühlschrank fand ich ein ungeöffnetes Glas. Ich fragte mich, wie lange ich das schon nicht mehr gegessen hatte. Eine Ewigkeit – so fühlte es sich zumindest an. Ich bereitete es zu und stellte es zu meinem Milchkaffee. Beim Blick darauf hielt ich inne und schluckte, ehe mir die Tränen kamen. Sie waren da, einfach so. Genau wie die Erinnerungen an meinen Lieblingsmenschen, dem ich seit einer viel zu langen Zeit kein Marmeladenbrot mehr gemacht hatte. Über zwei Jahre - ungefähr dieselbe Zeit, seit ich zuletzt selbst Marmelade zum Frühstück hatte. Meine Uroma liebte es, süß zu frühstücken und das, solange ich denken kann. Zuletzt schmierte ich es ihr monatelang, mindestens zwei Mal die Woche, wenn ich sie im Pflegeheim besuchte. Bis zu jenem Tag, an dem sie starb und sich nicht mehr über Marmelade freuen konnte. Während ich so da saß und mein Frühstück anstarrte, stellte ich mir eine Frage: Ist es nicht erstaunlich, was der Körper macht, um einen vor Erinnerungen zu schützen, die noch zu sehr schmerzen?
Dabei möchte ich mich an alles erinnern. Jeden Moment, der damals beinahe bedeutungslos schien, und nun, nachdem es keinen Weiteren davon geben wird, kostbarer denn je geworden ist. Ich will an Marmelade denken, an Gartenzwerge, die sie akribisch bemalt hat, Zierdeckchen, und vor allem an ihr Lachen. Das war es, was sie besonders ausgemacht hat. In der dunkelsten Stunde hatte sie noch einen humorvollen Spruch auf Lager, hat sich selten zu ernst genommen und dabei das schwerste Schicksal ertragen, was man sich als Mutter vorstellen kann. Ich habe sie bewundert – schon als Kind wollte ich werden wie sie, wenn ich alt bin. Und das, obwohl ich nur ein Drittel ihres Lebens miterleben durfte. Ich hatte das große Glück, mit von ihr großgezogen zu werden, was meine Eltern zweifellos manchmal in erzieherische Schwierigkeiten gebracht hat, denn sie war einfach die coolste Oma, die man sich vorstellen konnte. Sie hat mir das Häkeln, Töpfern, Stricken und Kochen beigebracht, mir erklärt, was Familie bedeutet, und dass Respekt nur auf Augenhöhe funktioniert. Sie hat mir vorgelebt, dass es nichts gibt, was eine Frau nicht alleine tun kann. Ihr ist es zu verdanken, dass ich eine unabhängige Frau bin, die sich von nichts und niemandem vorschreiben lässt, wie sie zu leben hat. Sie hat gewusst, dass Liebe frei ist und weder von einem Geschlecht, der Hautfarbe noch der Religion bestimmt wird. Sie war bis ins hohe Alter aufgeschlossen gegenüber modernem „Kram“, hat sich mit zweiundneunzig Jahren ein Handy gekauft, sich immer den jüngeren Generationen angenommen und versucht zu verstehen, wie die neue Welt funktioniert. Sie war mutig, tapfer, stolz, rechthaberisch und manchmal sehr dominant. Sie wusste immer, was sie wollte und auch wenn ich noch Tausende Wörter benutzen würde, um sie zu beschreiben, würde es ihrem Charakter nicht gerecht werden.
Sie inspirierte mich zu meiner Sophie Kennedy, Mias und Liams Großmutter aus der Backstage Love Reihe, die viele von euch lieben – vollkommen zu recht. Beinahe dreißig Jahre durfte ich mit ihr verbringen, was mein ganzes Leben ist, während es nur ein Drittel ihres ausmachte. Dafür bin ich sehr dankbar und ich will mich jedes Mal, wenn ich ein Marmeladenbrot esse, daran erinnern, was ein Glückspilz ich doch bin, dass ich sie kennenlernen durfte. Dass sie ihre Zeit mit mir verbracht hat, mir ein Zuhause gegeben hat, als meines keines mehr war und mich immer zum Lachen gebracht hat, wenn mir nach Weinen zumute war. Manchmal wünschte ich, sie könnte hier sein, meine Hand halten, mit mir Marmeladenbrot essen und mir ein paar Ratschläge geben, wenn mich das Leben quält. Doch das wäre sehr egoistisch von mir. Dort, wo sie jetzt ist, wurde sie sehnsüchtig erwartet und ich tröste mich damit, dass ich sie vielleicht eines Tages wiedersehen werde. Bis dahin werde ich regelmäßig Marmeladenbrote essen, und Momente mit meinen Lieblingsmenschen sammeln. Denn schlussendlich sind es Erinnerungen, die für immer bleiben.
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Tina (Samstag, 11 August 2018 07:46)
Das hast du so schön geschrieben!!! Ich bin auch davon überzeugt das ich meine Lieben eines Tages wieder sehen darf und bis es so weit ist, denke ich an sie und unterhalte mich "in meinem Kopf" mit ihnen !
Annie Stone (Samstag, 11 August 2018 08:36)
Ach, Kathrin! Ich wünschte, ich hätte es gestern schon gelesen, denn dann hätte ich dich einmal dafür drücken können. Dann jetzt virtuelle Umarmungen und morgen echte <3
Teja Ciolczyk (Samstag, 11 August 2018 09:13)
Ich möchte einfach nur, dass Du dich gedrückt fühlst, Liebes! ♡